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Als Shiatsupraktikerin arbeite ich mit der Wahrnehmung des Körpergefühls. Das betrifft Klient*innen und mich gleichermaßen. Körpergefühl ist jedoch nicht nur ein Thema für eine Shiatsusitzung, sondern es greift in den Alltag hinaus. Wie fühle ich mich nachher? Wie lange hält dieses Gefühl an? Wie fühle ich mich täglich überhaupt? Mindern oder ändern sich meine Befindlichkeiten? Für viele weibliche Klientinnen kommt hier noch das monatliche Thema der Menstruation während der fruchtbaren Jahre hinzu. Sie ist ein Bestandteil des Körpergefühls, das etwa 1/4 des Monats einnimmt. Menstruation ist ein natürlicher Prozess in den fruchtbaren Jahren, sie stellt ein Wirken des menschlichen Fortbestandes dar, ganz unabhängig, ob wir uns nun für Kinder entscheiden oder nicht. Und sie ist, kulturell und historisch bedingt, recht tabuisiert worden. Seit meinem 16. Lebensjahr habe ich, wie viele Frauen, die Menstruation mit Binden und Tampons über den Alltag gebogen.
Während einige Frauen mit prämenstruellen und menstruellen Schmerzen zu kämpfen haben, blieb ich zwar davon verschont, doch ist auch ohne Schmerzen die Menstruationszeit ein subtiler Stressfaktor, unentdeckt und zeitgerecht mit der Blutung umzugehen. Zudem unternahm ich stets gerne abenteuerliche Reisen in naturwilden Gebieten mit minimalem Gepäck. An den Tagen der Menstruation war zusätzliches Gepäck ja nicht zu vergessen und die Müllproduktion in der Natur trotz verantwortungsvoller Entsorgung ein komischer Zustand. Ich fragte mich immer, wie war das vor der modernen Technologie? Bluteten wir Frauen einfach so dahin? War das denn nicht gefährlich? Wie konnte sich die Natur so etwas ausdenken? Sind wir moderne Frauen von der modernen Technologie abhängig, um uns selbstbestimmt an unseren Tagen frei bewegen zu können?
Im Schulunterricht und auch in gegenwärtigen medizinischen Texten wird beschrieben, dass Menstruation unkontrolliert fließt und die Gebärmutter unvorhersehbar chaotisch krampft, um das Blut abzupumpen. Doch es könnte sein, dass das nicht ganz so stimmt. Wir haben vermutlich hier etwas Wichtiges übersehen und verlernt. Schon vor 15 Jahren kam mir dass Gerücht zu Ohren, dass Frauen in den „Naturvölkern“ ihre Menstruation kontrolliert ablassen und dazwischen sauber und unbeschwert ihrer Tätigkeit nachgehen. Bis heute fand ich dazu keine Forschungsquelle, wobei ich aber noch nicht die Universitätsbibliotheken dazu gezielt durchsuchte. Aber das Thema ließ mich nicht los. Und nun, mit dem Internet in seiner Grenzenlosigkeit, lieferte es mir gegenwärtige Information, wie ich so geschickt wie eine Frau eines sogenannten “Naturvolkes” werden könnte. Mittlerweile finden sich 1000e Frauen im Netz, die sich mit freier Menstruation beschäftigen. Es gibt zwar noch keine seriöse Statistik zu diesem Thema, doch scheint freie Mentsruation für die meisten zu funktionieren. Und bei mir tut sie das auch! Nach sechs Monaten Training kann ich postulieren, dass ich die gesamte Menstruation inklusive der starken Tage kontrolliert ohne Hilfsmittel ablassen kann. Und das in einem Alter von 42 Jahren und einer Blutungsintensität von ca. 8 ml pro Stunde am stärksten Tag. In solch intensiver Zeit kann ich etwa 6 ml Blut zurückhalten. Würde ich diese Zeit mit einer Menstruationstasse des Fassungsvermögens von 50 ml (Merula XL) lösen, die bei mir effektiv ca. 16 ml vor Überlauf schafft (bewegungsbedingt), gäbe und gibt es hier nur 2 Stunden Trockenheit. In der freien Menstruation muss ich in dieser Zeit etwa alle 45 Minuten aufs Klo. Das ist ein individueller Wert und kann bei jeder Frau ganz anders sein, doch gebe ich ihn hier bekannt, um Frauen zu motivieren, es mal selber zu testen. Der folgende Link empfiehlt sich sehr als Anleitung zum Einstieg:
https://trainyabrain-blog.com/2014/09/freie-menstruation-die-haeufigsten-fragen/
Berechnungen zur durchschnittlichen Menge von Menstruationsblut und sonstige Körperflüssigkeiten insgesamt findet sich hier: https://rubycup.com/blog/how-much-blood-during-period-scientific-research/
Und in der folgenden Passage möchte ich meine persönlichen Entdeckungen zum Training für die freie Menstruation angeben, die vielleicht helfen, bei den ersten missglückten Versuchen nicht gleich aufzugeben:
Frau spürt es – Es heißt, dass man es spürt, wann der nächste Blutschwall kommen will und dann rechtzeitig aufs Klo geht. Obwohl ich Shiatsupraktikerin bin und man so mir andichten könnte, dass ich für Körpergefühl gut geeicht wäre, so sehr ist es nicht so. Auch ich hatte gelernt, Menstruation und diverse Körperaktivitäten zu ignorieren, um gut funktionieren zu können. Umso überraschter war ich, dass ich quasi bisher „willenlos blutendes Wesen“ plötzlich doch klar spüren konnte, wann es Zeit war und wann nicht. Von Periode zu Periode wurde mein Gefühl für die Blutansammlung immer deutlicher und selbstbewusster, jedoch nicht unangenehm. Mittlerweile weiß ich schon sehr genau, wie viel Zeit mir mein Körper gibt, trocken zu sein.
Beckenbodentraining hilft – Noch wird darüber gestritten, ob man dazu ein Beckenbodentraining braucht. Es geht zwar auch ohne, aber mit Training im Vorfeld hat man einen besseren Start für das Körpergefühl und die Lage der inneren Organe optimiert sich etwas für unser Vorhaben. Außerdem, – und darüber wird auch noch gestritten, ob das funktioniert – , kann man mittels starkem Beckenboden den Blutschwall um weitere Minuten zurückhalten. Erst schaffte ich da 2 Minuten, nun sind es schon verlässliche 10 Minuten. Und ich trainiere eigentlich nicht viel extra Beckenboden mittlerweile. Es ist also keine Daueranstrengung, um hier Fortschritte zu erzielen. Anfängliches Beckenbodentraining machte ich übrigens mit Liebeskugeln, denn für Trainingseinheiten war ich schlichtweg zu faul.
Es ist nicht völlig unkontrolliert – Wir können das Ablassen über die Gebärmutter nicht direkt kontrollieren. Das stimmt. Aber deswegen sind wir noch nicht verloren. Die Gebärmutter ist unsere Freundin und sie arbeitet mit uns mit. Wenn sie lernt, dass wir frei menstruieren, fängt sie an, bei der Entspannung am Klo stärker zu krampfen, damit wir das Blut gut ablassen und lässt uns dann wieder einen guten Intervall lang in Ruhe. Das heißt, sie stellt sich auf das subtile Körpergefühl ein. Mittlerweile führe ich zwischendurch auch schwere Arbeiten durch und merke, wie mir die Gebärmutter in solch intensiven Phasen etwas Zeit verschafft. Diese Umstellung des Körpers erklärt auch, warum freie Menstruation von Periode zu Periode sich verbessern kann. Dies ist meine persönliche Erfahrung, es gibt dazu leider noch keine Studien.
Es ist gesund – Es gibt dafür noch keine medizinischen Belege, doch lässt es sich leicht erklären: Dank der freien Menstruation trainiere ich völlig natürlich nebenbei den Beckenboden, was mir hoffentlich im fortgeschrittenen Alter Vorteile verschaffen wird. Dank der freien Menstruation gibt es keine üblen Gerüche mehr, die meist ein Hinweis auf einen tendenziell unhygienischen Verlauf sind. Es gibt Frauen, die erklären, dass ihre Menstruation durch diese Freiheit schmerzfrei wurde und dass sich ihr Zyklus zu einem angenehmeren Intervall änderte. Der Zyklus änderte sich bei mir aufgrund der freien Menstruation auch: Seit der Geburt von zwei Kindern bei chaotischen 21-23 Tagen mit 7 Tage Blutung über 5 Jahre hinweg auf stabile 24 Tage mit 4-5 Tage Blutung prompt bei der Umstellung. Für mich eindeutig eine Verbesserung meines Lebensstandards. Dank der freien Menstruation muss ich keine Fremdkörper mit möglichen Keimen in meinen Körper einführen. Dank der freien Menstruation kann ich kein Tampon oder Menstruationstasse in meinem Körper „vergessen“, sodass ich mich der Gefahr einer Blutvergiftung vermehrt aussetzen würde.
Es ist stressfrei – Auch ich dachte, ich würde dann minütlich Nägel kauen. Oder dauernd angespannt herumlaufen. Natürlich trage ich auch dünne Slipeinlagen als Auffangseil und steige vermutlich bald auf Menstruationshosen um, die wunderbar dünn sind. Doch es ist weniger stressig als mit Tampon oder Tasse. Und ich mache das ohne künstliche Körperanspannung. Frau fühlt sich dazwischen weitaus besser, befreiter und was soll‘s mit dem bisschen mehr Klo-Gehen? Es passiert am Klo nicht mehr so viel. Man macht seine Hände nicht mehr so schmutzig.
Es wird immer besser – Nun habe ich erst 6 Monate trainiert, um eine „Naturvolk-Frau“ inmitten einer industriellen Gesellschaft zu werden und ich habe mit Sicherheit noch nicht den Zenit des körperlichen Könnens hier erreicht. Erst schaffte ich nur die schwachen Tage, langsam die stärkeren und erst kürzlich inklusive ständiger Arbeit den starken Tag. Mein nächstes Ziel sind Sport und intensive Arbeitstage. Es wird sicher auch ein Limit geben, das ist klar. Doch meine Menstruationstasse verwende ich kaum mehr. Die Geldausgaben sanken drastisch. Wenn ich auf Menstruationshosen umsteige, muss ich wohl bald in keine Drogerie deswegen mehr gehen.
Nun hat sich für mich gezeigt, dass ich nicht mehr die Panik bekommen muss, wenn ich mitten auf Reisen im Dschungel die Menstruation bekomme. Und diese Unabhängigkeit ist ein wahnsinnig erhebendes Gefühl. Es zeigt aber auch, unter welchem Druck frau bisher war. Freie Menstruation funktioniert nicht bei allen Frauen, doch je mehr es probieren, desto größer wird der Erfahrungsschatz, der Frauen stützen kann. Und wenn genug Frauen darüber schreiben, wird es auch irgendwann gute Studien zu dem Thema geben und vielleicht sogar eines Tages eine Änderung in den zahlreichen Aufklärungsbüchern über die Menstruation der Frau. Doch schon jetzt kann man selber austesten, ob wirklich tausende Frauen sich mit dem Thema auseinandersetzen, nämlich zum Beispiel in der umfangreichen Facebook-Gruppe des deutschsprachigen Bereiches (Stand 18.2.2019: 3900 Mitglieder): https://www.facebook.com/groups/156248591379399/